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Ein kleiner, aber feiner Nachgeschmack Was nach einem Jahrzehnt im Chor bleibt

Diese Gedanken sollten schon längst in Worte gefasst werden, doch wie das immer so ist, kommt es anders als man es plant. Nun so kurz vor Weihnachten kommt einen dann aber doch die Sentimentalität besuchen und die ganzen schönen Geschichten kommen wieder hoch.

Als ich vor über vier Monaten in den Flieger nach Costa Rica stieg, wusste ich nicht was mich erwartete und vielleicht war das auch ganz gut so. Denn so ein Freiwilligendienst am anderen Ende der Welt, bringt einen doch manchmal an seine Grenzen. Aber dessen war ich mir bewusst und habe mich ebenso bewusst dafür entschieden, eben nicht einfach in der Gegend zu bleiben und irgendetwas anfangen zu studieren. Ich ließ zwei Familien zurück. Meine wunderbare leibliche und meine zusätzliche Wahlfamilie, den Chor.

Eigentlich war schon immer klar, dass ich wohl irgendwann mal bei Frau Fischer vor der Tür stehen würde. Wenn der Bruder schon seit einer gefühlten Ewigkeit dabei ist, ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die kleine Schwester es nicht wenigstens mal versucht. Zur ersten Chorprobe musste mich noch mein Kuscheltier begleiten und obwohl ich schon einige kannte, fühlte ich mich von den anderen großen Kinderchorkindern ein wenig eingeschüchtert, Blut leckte ich aber dennoch. Die zweimal wöchentlichen Proben wurden zum Highlight, nicht nur in gefühlt sämtlichen
Sprachen des Erdballs zu singen, auch die Schneeballschlachten, das ausgiebige Chormappen-Verzieren mit kleinen Sternen,  Emojis oder gar Kriegsflotten und die schnell gefundenen neuen Freunde waren wunderbar.
Ich muss wohl in der Schule ständig vom Chor gefaselt haben, denn schnell wurde es zum Running-Gag: „Die Helena und ihr Chor schon wieder“ Aber es gab ja auch so viel zu erzählen.

Vom Gefühl, dass erste Mal bei Hänsel und Gretel auf der Bühne zu stehen, den Geruch von Nebel in der Nase, die klebrigen Reste von schmelzenden Lebkuchen an den Händen und dem großen Problem, sich als kleiner Engel aus Versehen auf einen Zweig zu knien, aber doch bitte andächtig stillhalten zu sollen. Geschafft habe ich das natürlich nicht und ging als Wackelengel in die Geschichte ein.

Oder wie Mefistofele durch die vielen Menschen, den atemverschlagenden Nebel, die langen Plastikkostüme und den Gangster-Masken zum kräftezehrenden Ausdauertraining wurde, Man aber in den Pausen wunderbar Zeit hatte Hotellandschaften zu erschaffen und die anderen im Lügenmaxchen zu besiegen. Die vielleicht eigentlich  wichtigeren Hausaufgaben zu machen, wurde da definitiv uninteressant.

Die Probenwochenenden im verschneiten oder sommerlichen Dörnfeld. Das erste Mal noch mit üblem Heimweh, doch danach schon zweites Zuhause. Die Nummer 7 mit der Sofaecke Stammquartier. Jedes Mal wieder galt es die unterschiedlichsten Herausforderungen zu meistern:

die Seilbahn mit den meisten Personen zu befüllen


der Verlockung zu widerstehen in den Pool zu springen


auch ohne adäquaten Tischtennisschläger einmal das Match zu gewinnen


bei Werwolf nicht schon wieder als Dorfbewohner zu enden


endlich mal einen innovativen Chortagebucheintrag zu schreiben ohne immer das gleiche zu erzählen


beim gemeinsamen Tanzen nicht nur die alt bewährten Tanzschritten zu rekapitulieren, sondern auch die neuen akkurat auszuführen


während der Probenzeit den Nachbarn im TicTacToe zu besiegen oder noch schnell das Paar Socken für Tante Hilde zu Ende zu stricken (Auf diese Ideen kamen wir natürlich nie, wir waren immer brav und haben uns voll auf die Proben der Chefin konzentriert.)


die Butterkekse mit Hagelslag und der jeweilig im Betreuterzimmer vorhanden
Süßigkeitenvariation zu beladen und in den Mund zu schieben


beim legendären Abschiedsessen so viele Pommes wie möglich in den Mund zu stopfen.


Eigentlich blieben die Herausforderungen in den 10 Jahren gleich, nur dass sich die Challenge vom korrekten Bettenbeziehen in „Hilfe-diese-fetten-Augenringe-waren-doch-gestern-noch-nicht-da“ am Morgen danach vor dem, plötzlich viel zu tief hängenden, Spiegel verwandelten.

Außerdem waren da die traumhaften Sommer-Tourneen. Zuerst in den Norden hinter Stefan Phillippi die Dünen entlangstapfend und Käse probierend, dann in den Süden Stefan Phillippi auf Alpengipfel folgend und immer noch Käse probierend. Nebenbei eine Emotionen-Achterbahn entlang zu fahren. So viele pubertierende Jugendliche auf einem Haufen zu haben birgt eben doch immer wieder ein Gefühlschaos, das Tief danach vorprogrammiert. Ich ziehe den Hut vor all den lieben Betreuern, die sich nicht nur um unsere kleinen und großen physischen Wehwehchen, sondern auch unsere anderen Probleme immer wieder mit offenen Ohren angehört haben. Sodass abends immer ein strahlendes Konzert gesungen werden konnte, ob im Rosengarten, zwischen Weinreben, hitzestauenden Gewächshäusern, schunkelnd auf einem Boot oder ganz klassisch in wunderschönen Kirchen. Mir fehlt es hier sehr gemeinsam Musik zu machen, die Töne zum strahlen zu bringen. Wie wunderbar ist es so lange auf einen Moment hinzuarbeiten, die Perfektion in die Höhe zu treiben und dann beim Applaus in lächelnde oder von Glückstränen nasse Gesichter zu blicken.

Dankbar bin ich auch besonders für die Möglichkeit gehabt zu haben Ansagen machen zu dürfen. Als ich mich damals dafür meldete, war mir klar, dass es mir schwer fällt vor Leuten zu reden. Doch wenigstens das Schreiben fiel mir leicht. Eine Gabe, die ich hier auf dem Blog auch mehr durch Zufall als kleinegroße Liebe entdeckt habe und nun auch auf meinem eigenen Blog weiterführe. Beim ersten Mal bei einem der Weihnachtskonzerte hatten wir nicht mal ein Mikrofon, zitternd vor Kälte und vor Aufregung las ich den Text hinunter. Auch wenn es nie zu meinen  allerliebsten Lieblingstätigkeiten gehören wird, vor vielen Leuten zu reden, so hat es eigentlich doch richtig Spaß gemacht. Der erhöhte Adrenalinkick, weil kurz vorher das Programm geändert wurde und ich mit meinen „grandiosen“ Kenntnissen von französischer Aussprache natürlich ganz durch Zufall dieses eine französische Stück im Programm ansagen durfte, hat fast Suchtfaktor.

Mein Kopf ist voll von kleinen Geschichten und Bildern, die diese Gruppe von Menschen für mich so besonders machen, sie alle zu erzählen wäre wohl zu viel erwartet. Doch sicher ist, dass dies die kleinen Puzzelteile sind, die sich zu dem Menschen zusammen setzen, der ich bin.

Wer Lust hat mal vorbei zu schauen, der kann gerne ein wenig in meinen Costa-Rica-Abenteuern unter www.12gradnord.wordpress.com stöbern.
Abbonieren ohne nervige Werbung geht natürlich auch 😉

​Lang, lang ist’s her

Sie haben bestimmt alle schon Kinder in schwarzen Perücken, Totenkopfmasken und blutverschmierten Gewändern auf dem Domplatz gesehen oder zumindest von ihnen gehört. Das sind wir nicht. Der Großteil des Kinderchores verwandelt sich zwar fast jeden Abend bei den Domstufenfestspielen in solche Gestalten, aber ein ganz wichtiger Teil des Chores muss sich nicht umziehen und schminken. Aber ‚Teil des Chores‘ ist vielleicht eine fragwürdige Bezeichnung, denn wir sind die Ehemaligen. Obwohl man uns nicht auf der Bühne sieht, leisten wir wichtige Arbeit indem wir die Sänger durch Mikros hinter den Kulissen musikalisch unterstützen.

Da der Nachschub an singenden Kindern für die Pläne des Theaters nicht ausreichte, schlug Frau Fischer, eher ironisch, vor, ehemalige Sänger zu fragen. Wie man sehen kann, übersah das Theater diese Ironie und ewig währende Loyalität zum PKJC führte dazu, dass unsere kleine Gruppe mal wieder Opernluft schnuppern durfte. Ich glaube, man kann getrost behaupten, dass jeder einzelne von uns diese Lösung begrüßt, denn jeder Abend versetzt uns zurück in die guten alten Hänsel-und-Gretel-Zeiten. Denn wir sitzen zusammen und unterhalten uns über Chorerlebnisse oder wir spielen Karten und genießen das Theatergefühl, was zum Teil auch die Sehnsucht, mal wieder schwarz angemalt zu werden beinhaltet.
Doch da wir keine Kostüme tragen, genießen wir auch die Freiheiten eines über 18 Jährigen, wie die Fähigkeit die Theatergrenzen manchmal zu verlassen und weit weg vom Blick der Chorleiterin gemeinsam ein Eis zu genießen. Natürlich bringen wir immer noch Bestleistungen, wenn wir uns stimmlich in Messdiener verwandeln und mit Opernchorsängerinnen und dem Extrachor musizieren. Alles in allem freuen wir uns, mal wieder zurückzukehren und zu sehen, dass sich die Dinge gar nicht so sehr verändert haben.

Und wie lange bist du schon raus?

Was passiert wenn sich 15 ehemalige Sängerinnen und Sänger des PKJC und der schola in Dörnfeld treffen?

Eigentlich alles was man auf einem ganz normalen Chorlager auch erwarten würde. Man spielt Uno, probt (allerdings mit mehr Männerstimmen als sonst), tanzt, isst, schreibt Chortagebuch, fährt Seilbahn und schläft. Die Getränkeauswahl hat sich ein wenig geändert und auch die Gesprächsthemen sind etwas anders. Es geht um Studien- und Berufswahl (drei Informatiker, drei Theaterwissenschaftler und eine Chorleiterin), die Suche nach neuen Chören (schwierig, wenn man nicht beim Kammerchor Michaelstein landet) und um alles andere was Charlotte L. die Anwesenden fragt.

Der Chor der Ehemaligen ist morgen (Pfingstmontag, 16.05.) ab ca. 11:30 Uhr Nähe Wenigemarkt beim Straßensingen zu hören.IMG_0027 IMG_0078 IMG_0040 IMG_0101 IMG_0083 IMG_0108 IMG_0148 IMG_0114 IMG_0160