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Zwischen bewegter Geschichte und endloser Weite – Das Tempelhofer Feld… und zwei Kinder

Schneeflocken tanzen durch die Luft. Dicke, nasse Schneeflocken, die auf der Kleidung und in den Haaren kleben bleiben. Und auf meiner roten Strickmütze. „Du siehst aus wie ein Fliegenpilz!“ lacht mein Bruder. Durch die Schneeflocken macht sich der Chor auf den Weg zur der leersten Fläche in der vollen Stadt Berlin. Dort, hinter den Häusern, auf der anderen Seite der Straße voller hupender Autos und quietschender S-Bahnen eröffnet sich eine stille Endlosigkeit. Eine riesige offene Ebene. Der Horizont strahlt in seiner winterlichen Kälte und lockt uns in die Freiheit der windigen Weiten.

Und mit einem Mal fühlt sich eine Gruppe von knapp 70 Personen in der Großstadt ganz und gar nicht mehr unproportional an. Auf so einer Fläche von 300 Hektar hätte jeder von uns knapp 5 Hektar zu Verfügung. Das wäre tatsächlich mal ein Szenario, in dem das Nicht-Hören der anderen Stimmen zu einem echten Problem anstatt zu einer Ausrede würde. Aber natürlich bleibt die Herde zusammen und startet keine akustischen Experimente. Brav folgen alle dem philippischen Schäfer, seine fleißigen Hütehunde rennen um die Herde und sammeln jedes abgelenkte Chorkind flink wieder ein. Doch der Schnee lockt. Schnell fliegt der erste weiße Ball und bald darauf der zweite. Durch die tobenden Kinder sehe ich, wie mein Bruder seine Hände in den pappigen Schnee taucht und eine wässrige Kugel formt. Er zielt auf mich und trifft mich – und zwar voll im Gesicht.

Der Schnee war nass und nicht besonders kalt. Ich spürte, wie er auf meiner Haut schmolz und am Hals hinunter tropfte. Ich sah meinen Bruder, einige Meter neben mir in der aufgeregt plappernden Menschenmenge. Sein Blick war merkwürdig, wie erstarrt in der Freude über seinen guten Treffer. Irgendetwas war komisch. Nicht nur sein Blick, auch seine Kleidung war anders. Er trug eine alte, ausgebeulte Hose mit Hosenträgern und ein graues Hemd. Als ob das nicht alles ungewöhnlich genug wäre, hatte er eine blaue Schiebermütze auf dem Kopf. Ich schaute an mir herunter und stellte mit Erstaunen fest, dass auch ich aussah wie aus einer anderen Zeit. Über einer weißen Bluse mit Rüschen an den Armen trug ich einen knielangen, geblümten Rock. Lange schauten wir uns an, wie verloren in der Zeit.

Landesbildstelle Berlin, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons (verändert, dieses Bild kann unter derselben Lizenz weiterverwendet werden)

Doch wir gingen wie immer voll mit der Mode. Denn wie uns auffiel, trugen alle Menschen um uns herum ähnliche Kleidung. Hosenträger, Röcke, Rüschen: alles ganz normal… Was war das eigentlich für ein Lärm? Über uns dröhnte es pausenlos ohrenbetäubend. Für den Bass war dieses Brummen zwar nicht ungewöhnlich, aber doch deutlich zu laut. Und fliegen konnte die trägste der Stimmgruppen mit Sicherheit nicht. Noch unwahrscheinlicher war, dass der Rest des Chores freudig jubelnd in die Höhe blickte.
Der Bass war es natürlich nicht, sondern Flugzeuge, die im Minutentakt landeten und wieder abhoben. Und auch die jubelnden Menschen gehörten eindeutig nicht zum Chor. Mit Stimmtechnik hatte das rein gar nichts mehr zu tun. Rufend und brüllend hießen sie die lärmenden Flugzeuge willkommen. Überall rannten hektisch Piloten umher, Helfende luden Pakete aus den Flugzeugen und das alles in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Kinder stritten sich um Tüten voll mit Süßigkeiten, die förmlich vom Himmel fielen. Die Größe des Tempelhofer Felds war unverändert, doch Ruhe und Leere verschwunden.


Verschwunden sind auch zwei Chorkinder. Nach einer heiteren Schneeballschlacht und einem üblichen Geschichtsvortrag über die bewegte Geschichte des Tempelhofer Felds sammeln die Hütehunde alle Schafe zum Zählen um den Schäfer. Die Eins wird laut und deutlich gerufen, alles scheint gut, doch die 48 und 49 fehlen. Alle suchen, doch keiner findet eine Spur der verschwundenen Schafe. Nur eine rote Strickmütze liegt irgendwo, durchnässt und vergessen in den weiten Endlosigkeiten des Tempelhofer Felds.

Erklärungsversuche erstrecken sich von einer Zeitreise bis zu der Legende, dass sich die betroffenen Chorkinder in Wirklichkeit in Erfurt aufhalten…

Alte Häuser und ein „f“

Ein Pfahl ist laut Duden ein „langes rundes oder kantiges Bauteil aus Holz, Stahl oder Beton, das meist an einem Ende zugespitzt ist“. Ein Pahl steht zwar nicht im Duden, ist aber gleich zweimal im Chor vertreten. Dementsprechend besuchten wir heute das Pahlbautenmuseum in Unteruhldingen, auch wenn sich in unseren Plan wohl ein „f“ zu viel eingeschlichen hatte. Woher das wohl kommt?

Am flachen Ufer des Bodensees in Unteruhldingen stehen gut zehn Häuser, gebaut aus alten Baumstämmen. In ihnen können Besucher die Lebensweise von Pfahlbauern aus der Stein- und Bronzezeit bestaunen. Die Häuser stehen, wie der Name sagt, auf Pfählen im flachen Wasser des Bodensees und beinhalten Tierfelle, Töpfereien, ausgestopfte Tiere und realistisch dargestellte Menschen. Diese Darstellungen beinhalteten unter anderem schlagende Eltern und verängstigte Kinder, wodurch wir uns gut in das Alltagsleben der Pfahlbautenbewohner hineinversetzen konnten. Einzig und allein die vielen Plastikschilder rissen uns wieder aus den Phantasien.

In kleinen Gruppen durchstreiften wir das Gelände und schauten uns je nach Vorliebe Objekte, Filme und Vorträge an. Andere setzten sich in die Sonne ans Ufer des Bodensees und genossen ihr Lunchpaket.

Ein ausgiebigeres Essen gab es dann am Abend im Augustinum in Meersburg, wo wir eingeladen wurden, ein Konzert zu geben. Nach diesem freundlichen Empfang hatten wir noch die Möglichkeit, uns die tolle Lage der Seniorenresidenz anzuschauen: am Weinberg mit Blick auf den Bodensee. Unser Konzert sollte dann unter Platanen und mit Blick auf den See stattfinden, beides natürlich nur für das Publikum.

Um für den Zuschauer ein schönes Bild zu erschaffen, musste der Chor nun mal mit dem Rücken zur Kulisse stehen. Doch selbstverständlich konnten wir von dem ganzen Spektakel sowieso nichts wahrnehmen, denn so sehr klebten unsere Blicke an Frau Fischers Händen. Und so konnten wir uns nur vorstellen, wie die mächtigen Platanen über uns in den blauen Himmel ragten, die Sonne langsam unterging und vielleicht sogar ein Zeppelin über dem Bodensee zu sehen war. Die Platanen schützen uns vor der knallenden Hitze des Tages, hinter uns thronten die schroffen Bergspitzen über das glatte Wasser des Bodensees.

Erst beim Abgang kamen uns leise Zweifel an unserem schönen Bild. So gab es auf einmal nur noch eine Treppe und auch das Klavier klang, wenn man es sich recht überlegte, so gar nicht nach dem Keyboard, welches wir draußen aufgebaut hatten. Auch der fehlende Wind machte uns skeptisch und so erfuhren wir schließlich, was wir schon vermutet hatten: mitten im Konzert sind wir wohl wetterbedingt in den Saal gewechselt.

Botanischer Garten

Als kleine Gruppe von zehn Kindern und zwei Betreuern hatten wir uns entschieden, den Botanischen Garten zu besuchen. Auf diese Weise können wir nicht nur mit unseren Stücken die Welt bereisen, sondern auch die Pflanzenwelt der verschiedenen Kontinente erkunden.

Nach einer etwa 45-minütigen Fahrt mit U-Bahn und Tram quer durch München waren wir schließlich im Botanischen Garten angelangt und interessierten wir uns zuallererst für die vielseitigen Gewächshäuser. Angefangen bei Kakteen, dessen Blüten bis zum Glasdach reichten, liefen wir vorbei an Seerosenteichen, Aquarien, Palmen sowie Farnen jeglicher Größe. Dabei wanderten wir in kürzester Zeit durch verschiedenste Kontinente und Klimatypen: den feucht-warmen Tropen folgten trockene Savannen und Wüsten. Mittagessen gab es übrigens in Mexiko, wo wir unsere mitgenommen Burger verspeisten.

Aber nicht nur Pflanzen gab es zu sehen – wir sichteten auch einige Tiere. Neben der heimischen Schnecke im Tropenhaus, die sich ähnlich invasiv wie die Fledermaus in die Vogelhochzeit dort eingenistet hat, gab es Schildkröten und Fische aller Art und Größe zu bestaunen. Am Ausgang der Gewächshäuser trafen wir auf eine überaus motivierte Mitarbeiterin des Gartens, die uns reichlich Lagepläne in die Hand drückte. Im Austausch konnten wir ihr einige Konzertflyer mitgegeben. Der Konzertbesuch passte bei ihr leider ebenso wenig in die Terminplanung wie bei uns der von ihr vorgeschlagene Besuch des Museumsshops…

Nach dieser Begegnung gingen wir über den Schmuckgarten vorbei an der Orangerie zu einer größeren Wiese, auf der es sich ein Teil der Gruppe gemütlich machte. Die Übrigen liefen nach Belieben noch ein wenig weiter durch die zahlreichen kleinen Biotope: Wir umwanderten einen See, drangen durch ein Moor und überschauten die Alpen. Das alles natürlich in Kleinformat.

Nachdem sich unsere zwei Grüppchen wieder getroffen hatten, packten wir in Ruhe unsere Sachen und liefen in Richtung Ausgang. Zufrieden kamen wir wieder an der Kirche an. Alles in allem war unsere kleine Weltreise nicht nur interessant, sondern vor allem unterhaltsam und entspannend. Was kann man Schöneres vor einem langen Konzert unternehmen?    

Singen, singen, singen

Seit einer Woche sind wir nun im Allgäu. Trotz eines gelungenen Eröffnungskonzertes war die Woche hauptsächlich von umfangreichen Proben geprägt. Heute kamen die Konzerte nun auf einen Schlag, gleich drei Auftritte erwarteten uns in Sonthofen!

Dank einer Einladung zum internationalen Chorfestival „Sonthofen singt“ präsentierten wir einen Ausschnitt unseres Programms auf einer Open-Air-Bühne. Um als Chor erkennbar zu sein, trugen wir unsere neuen roten Chor-T-Shirts. Diese trugen wir auch schon heute Vormittag – ein Fototermin stand an. Wir zeigten uns nicht nur in unseren T-Shirts, sondern auch in unseren tollen dunkelblauen Hoodies.

Nach den Fotos und dem Mittagessen ging es mit dem Bus nach Sonthofen. Auf dem Marktplatz empfing uns schon eine bunte Menschenmenge, die gerade einem süddeutschen Ensemble beim Musizieren zuhörte. Die traditionelle Musik inspirierte unseren Chor zum spontanen Tanzen – sehr zur Freude des Publikums.

Da sich auf dem Festival Jodelgruppen, Familienmusik oder Chöre im 20-Minuten Takt abwechselten uns es dabei manchmal etwas länger dauerte, viel unser zweiter Auftritt zwar etwas kürzer aus, kam aber ebenso gut an.

Mit den etwa 80 Sängern des Kinder- und Jugendchores ging es auf der Bühne durchaus etwas enger zu.

Nach den zwei Auftritten ging es in Eile zur Stellprobe für unser Abendkonzert. Schnell noch umziehen und einigermaßen pünktlich um 19:30 Uhr begann unser Konzert in der St-Michael Kirche. Wir sangen fast unser vollständiges Programm und packten bestmöglich alles Erprobte aus. Das Publikum freute sich insbesondere über die Volkslieder sowie die vom Kinderchor getanzten Stücke „Kusimama“ und „Hats“.

Auch wir waren mit uns zufrieden und kamen abends erschöpft aber glücklich in Leutkirch an.

Oh nein! Wo ist mein Käse?!

Probenfrei! Endlich dürfen die überarbeiteten Ersatzmappen einen Tag ruhen… Aber anstrengend wurde es für uns am heutigen Donnerstag dennoch. Mit dem Bus ging es in Richtung Immenstadt, von wo wir eine Wanderung durch die Berge der Voralpen starteten.

Die anspruchsvolle Steigung blieb uns Dank der Mittagbahn erspart, einem Sessellift, der uns in Zweierpaaren von 750 m auf 1452 m brachte.

Von der Bergstation ging es noch ein paar wenige Meter in die Höhe, wo vor dem Gipfelkreuz ein Gruppenfoto gemacht wurde.

Die Wanderung führte uns dann zurück ins Tal, dabei wechselten sich Laufen und Pausen je nach eigener Geschwindigkeit ab. Die Gruppenersten hatten dabei das Vergnügen, Entgegenkommenden unsere etwa 70 Personen zählende Menschenschlange anzukündigen.

Wir schlängelten uns so durch Almwiesen und Kuhherden nach Gunzesried, wo wir die dortige Sennerei besuchten. Begrüßt wurden wir durch eine abwechslungsreiche Verkostung der verschiedenen Käsesorten, die nur von einem außergewöhnlichen Imagefilm überstrahlt wurde. Der Senner ermöglichte uns eine interessante Führung durch den Käsekeller und anschließend konnten die hauseigene Produkte erworben werden. Der charakteristische Geruch, insbesondere durch das Salzbad verursacht, wird vielen von uns wohl noch lange in der Nase schweben.

Doch die Wanderung war noch nicht beendet. Der Weg führte und an einem kristallklaren Gebirgsbach vorbei, der die großen Felsblöcke glatt geschliffen hatte.

An einer besonders schönen Stelle gingen eine Hand voll Sänger in das kalte Wasser, viele erfrischten ihre Füße von der langen Wanderung. Der Bus wartete in Blaichach auf uns, wenige Kilometer von Gunzesried entfernt.

Wieder zurück in Leutkirch, stürzten sich alle auf das Abendessen. Bald darauf endete der sportliche Tag mit gemeinsamen Tanzen.

Blasmusik und Lederhosen

Und was uns sonst noch beim Kinderfest begegnete…

Der Dienstagmorgen begann mit Musik. Für unseren Chor nicht weiter unbekannt – wenn es keine schiefe Blasmusik gewesen wäre, die aus den offenen Fenstern hinein wehte. Sie kündigte bereits den heutigen Umzug des Leutkircher Kinderfestes an.

Nach dem reichhaltigen Frühstück ging es an die Strecke des Geschehens, wir suchten uns ein schattiges Plätzchen, und ließen uns eine knappe Stunde lang von Trachten, allerhand detailgetreuen Kostümen und noch mehr schiefer Blasmusik berieseln.

Um nicht den Anschein eines rückständigen Bergvolks zu erwecken, präsentierten sich neben bäuerlichen Traditionen der Kleinstadt im Festumzug auch Feen, Piraten, Frösche – und die NASA.

Mit Bäckereien, Brauereien und zahlreichen Lederhosen lernten wir dennoch viel über die bayrische Kultur, die hier im baden-württembergischen Leutkirch natürlich sehr gepflegt wird.

Alles in allem muss man fragen, ob die Kinder in Leutkirch vor den Sommerferien NOCH weniger lernen als wir…